Vereinsgeschichte

Hundert wechselvolle Jahre

Wenn der Bund der Selbstständigen - wie sich der einstige Gewerbeverband und damit auch der Gewerbeverein Rheinfelden nennt - jetzt auf sein 100- jähriges Bestehen zurückblicken kann, so zeigt sich darin, dass Gewerbe und Handel sich in diesen Jahrzehnten allen Widrigkeiten zum Trotz anzupassen wussten.

Darüber hinaus beeinflussten die mittelständischen Unternehmen auch das öffentliche Leben. Mit dem Werden der Stadt, die mit dem Bau der Kraftwerk- und Industrie- Anlagen zahlreiche Handelsunternehmen anlockte, organisierten sich diese auch schon um die Jahrhundertwende, und Fidel Bernauer konnte zusammen mit Rudolf Otto schon 1901 den Gewerbeverein gründen, dem er selbst als Vorsitzender und Rudolf Otto als Schriftführer vorstand. Doch einige Jahre darauf ist es Peter Krauseneck der den Vorsitz übernimmt und in den kom- menden Jahren den Verein nach vorne bringt, auch wenn wenig später Wilhelm Kempter an der Spitze steht. Es ist die erste berufsständische Vereinigung in der jungen Stadt, in der sich auch der Einzelhandel und die Gastwirte zusammenfinden.

Alles war anders als heute. Die Lehrlinge hatten noch ein nach den Lehrjahren gestaffeltes Lehrgeld zu bezahlen, eine Gemeindeordnung befasste sich mit der Kinderarbeit, die damals noch selbstverständlich war, und im Grenzbereich machten dem Einzelhandel auch die billigen Einfuhren aus der nahen Schweiz zu schaffen, weshalb wiederholt Vorstöße unternommen wurden, diese zu drosseln.

Erst im Jahre 1909 entstanden auch die Anfänge der heutigen Gewerbeschule, die eine systematische theoretische Unterrichtung der Lehrlinge ermöglichte. Hier war es wohl den Industrieunternehmen zu verdanken, die selbst eine Reihe von Lehrlingen in ihren Betrieben ausbildeten, dass der theoretische Unterricht von den bestehenden Fortbildungsschulen abgetrennt wurde. Diese schlossen mit einer Reihe von Handwerksunternehmen auch Kontrakte ab, in Regiearbeiten Werksbauten und deren Installationen zu übernehmen. Dies hatte zur Folge, dass vielfach auch deren Arbeitszeiten übernommen worden sind und bereits 1914 die Einführung des Achtstundentages beschlossen wurde, der anderswo erst nach Beendigung des Ersten Weltkrieges Norm wurde.

Krieg und Inflation hatten keine geregelte Vereinsarbeit ermöglicht; erst 1924 konstituierte sich der Gewerbeverein unter dem Vorsitz von Jakob Werkmeister neu, doch die Jahre bis 1933 sind von finanziellen Sorgen geprägt, die eine Reihe von Unternehmen beseitigen. Danach konnte ein beträchtlicher Auftrieb festgestellt werden, denn die Belebung des Baumarktes, vor allem des Straßenbaus und die Wiederaufrüstung erfasste auch die Handwerksbetriebe. Doch der Ausbruch des Zweiten Weltkrieges legte danach auch vieles wieder lahm.

Der Gewerbeverein war schon 1935 im Kampfbund für den gewerblichen Mittelstand aufgegangen und hatte sein ursprüngliches Gepräge längst verlor- en. Der Krieg löschte ihn abermals aus, und erst nach der Wiederherstellung geordneter wirtschaftlicher Verhältnisse im Jahr 1948 gelang Albert Bernauer die Wiedergründung. Karl Krauseneck übernahm in der ersten Hauptversammlung den Vorsitz.

Heinrich Hörrle wurde Schriftführer und Hubert Zimmermann Kassierer. Letz- terer zählte seit dieser Zeit zum Vorstand. 1960 wurde Hubert Zimmermann Vorsitzender und behielt dieses Amt bis 1982. Er verzeichnete damit die längste Amtsdauer aller Vorstände seit Bestehen des Vereins. Seine Ver- dienste um den Verein sind herausragend. Bereits 1951 hatte der Vorstand den Mut, eine Gewerbeausstellung inden Räumen und auf dem Areal der heutigen Schillerschule zu veranstalten. Sie fand weit über Rheinfelden hinaus Resonanz, liess sich in der Folgezeit in der damals noch traditionellen Form aber nicht mehr wiederholen. In vermehrten Masse waren Markbeobachtungen notwendig, um den Anschluss nicht zu verlieren und damit eine ständige Flexibilität, die von den Unternehmern eine nie erlahmende Beweglichkeit forderte. Wirtschaftliche Eingriffe von Staat und Berufsorganisationen zwangen zu neuen Investitionen, die auch den Geldmarkt in Bewegung brachten. Auch hier zeichneten sich Neuerungen ab, denn aus der zu Beginn des Ersten Weltkrieges mit den Nachbargemeinden gegründeten Bezirkssparkasse, die ihre Kassenräume noch im jetzigen Feuerwehrgerätehaus an der Hardtstrasse hatte, erwuchs in den vergangenen dreissig Jahren ein Konsortium von fünf Geldinstituten. Analog dazu wuchsen auch die neuen Unternehmen. Zahlreiche traditionelle Berufe wie Schmiede und Wagner, ebenso die Hersteller landwirtschaftlicher Geräte, die früher ihre Existenz in den Dörfern hatten, gehören der Vergangen- heit an. Die selbstständigen mittelständischen Unternehmen hatten jedoch eine Fülle neuer Aufgaben. Den Forderungen auch Gehör geben Im Laufe der letzten Jahrzente gelang es den Gewerbetreibenden, sich in den Kommunalwahlen stärker zu profilieren und durch die Nominierung einer Reihe von Stadträten im Gemeindeparlament neben den politischen auch berufsständischen Forderungen Gehör zu geben. Diskussions-veranstaltungen, die sich mit rein mittelständischen Fragen wie den Hebesätzen der Steuern oder dem Ladenschlussgesetz befassten, die mit Lehrgängen über Rhetorik unter- mauert wurden und den neuen Forderungen ein verstärktes Gewicht geben konnten, schufen ein völlig neues Bild für den Bund der Selbständigen. Für Aussenwirkung sorgten eine Reihe von Modebällen, öffentlichen Firmen- werbungen und auch Ausstellungen. Mit der Gründung des Leistungsver- bundes innerhalb des Gewerbeverein und verstärkten Werbeaktionen unter dem Motto 'Rheinfelden ist löwenstark' wurde das Interesse der Öffentlichkeit an den mittelständischen Unternehmen gestärkt. Eine alljährliche Blumenaktion, der Geranienmarkt, setzt optische Zeichen, um dem Gewerbe und dem Einzelhandel Reflexionen in der Öffentlichkeit zu geben. Immer größerer Beliebtheit erfreut sich auch die Gutscheinaktion des Lei- stungsverbundes sowie die alljährlich von Handel in der Vorweihnachtszeit organisierte 'Glücksstern-Verlosung' mit stattlichen Gewinnen. Das vorweihnachtliche Stadtbild wurde durch die 1993 vorgenommene Erneu- erung der Weihnachtsbeleuchtung der Friedrichsstraße verschönert. Der Christkindlemarkt wurde im Jahr 2000 völlig neu gestaltet. Die Fußgängerzone wurde teilweise in den Markt einbezogen. Vor allen Dingen konnte das Erscheinungsbild des Marktes durch die neuen Markstände wesentlich verbessert werden. Letzteres war nur möglich durch die tatkräftige Unterstützung von Oberbürgermeister Eberhard Niethammer und seinen Mitarbeitern von der Stadtverwaltung. Nicht vergessen werden dürfen auch die sehr erfolgreichen Leistungsschauen der Jahre 1996 und 2000. Einblick in die vielfältige Arbeitswelt Den Blick in die Weite Welt der Technik hielten eine ganze Reihe von Ex- kursionen offen, die der Bund der Selbstständigen zu den Wiegen der beiden in Rheinfelden gelesenen Zeitungen mit der Besichtigung der vollständig modernisierten Druckereien, aber auch in den heimischen Industriewerken veranstaltet und sich mit deren Produktionsprogrammen vertraut machen ließ, wie in der Aluminium Rheinfelden oder in der Schokoladenfabrik Suchard in Lörrach. Bei den Funkanstalten in Baden-Baden und Stuttgart wurde man mit den Kommunikationsmittel und der verwirrenden Vielfalt bekannt, während Besuche der Kernforschungsanstalt in Karlsruhe, des Kernkraftwerks Leibstadt, des Kavernenkraftwerkes in Bad Säckingen und der Bodensee-Wasserversorgung in Sipplingen mit den beiden heute für Industrie und Gewerbe dringend notwendigen Elementen Wasser und Strom zusammenführte. Einblick in die Automobilproduktion gewann man durch eine Besichtigung de Peugot-Werkes in Mulhouse. Die guten Kontakte zur hiesigen Industrie wurden durch eine Besichtigung der Recyclinganlage der Aluminium im Jahr 1998 und einer Werksbesichtigung der Firma Degussa im Februar 1999 noch vertieft. Diese kollektiven Veranstaltungen mit mehr internem Charakter werden von den einzelnen Mitgliedern nach außen durch die Mitwirkung in zahlreichen Gremien betont; als Mitglieder der Schöffen- und Arbeitsgerichte, Funk- tionsträger in der Industrie- und Handelskammer, den Handwerkskammern, in Berufs- und Wirtschaftsschulen, Architektenkammer und zahlreichen beruflichen Innungen. Neben diesen Aktivitäten wurde die Freundschaft zu den Nachbarvereinen in Rheinfelden/Schweiz und Grenzach-Wyhlen in den letzten Jahren besonders gepflegt.

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Texte von: Willy Oser, fortgeführt von Edwin Rütschle